Im Stadtderby müssen die „Orangenen“ abliefern
Frischzellenkur ist bei Abstiegskandidat SG Viernheim dringend erforderlich
Kader bestand zuletzt nur noch aus zwölf Spielern
Ein Horrorjahr liegt sportlich hinter A-Ligist SG Viernheim. Vier Trainer, zwei Pflichtspielsiege, Schlusslicht in der Kreisklasse A: Die „Orangenen“ konnten 2025 nur selten auf dem Rasen überzeugen, sorgten dafür abseits des Spielfeldes fast wöchentlich für Schlagzeilen. Im neuen Jahr soll und muss alles anders und vor allem besser werden, wenn die Südhessen nicht in die Kreisklasse B absteigen wollen. Als großer Hoffnungsträger gilt Spielertrainer Steven Schreck.
Die Zahlen und Fakten, die das Bild bestimmen, sind deutlich: Im Jahr 2025 kam die Mannschaft lediglich auf zwei Pflichtspielsiege, insgesamt wurden vier verschiedene Trainer eingesetzt. Der Kader, mit dem die Saison 2025/26 begonnen wurde und mit dem Ex-Trainer Thomas Jöhl zum Saisonauftakt noch zufrieden gewesen sein soll, schrumpfte von 24 gemeldeten Spielern auf zuletzt gerade noch zwölf einsatzfähige Akteure. Dieses personelle Schrumpfen hat nicht nur die taktischen Möglichkeiten eingeengt, sondern die Belastung auf die verbleibenden Spieler massiv erhöht. Als Folge waren Trainingsabläufe, taktische Schulungen und die gewohnte Spielvorbereitung deutlich beeinträchtigt.
Die Ursachen für die schwindende Kaderstärke liegen laut Vereinsangaben in einem Gemisch aus Abgängen, Verletzungen, privaten Problemen und einer aus Vereinssicht teilweise fehlenden Einstellung. Einige namentlich bekannte Personalien illustrieren die Vielschichtigkeit der Probleme: Marc Hanselmann, als Führungsspieler und Säule im Neuaufbau bezeichnet, kam in der laufenden Saison auf keine gespielten Minuten und gehört nicht mehr dem Verein an. Ex-Co-Trainer Kim-Pascal Boysen bestritt lediglich ein Spiel und schied verletzungsbedingt aus; der Kontaktabbruch zum Verein geschah in der Folge. Die Nummer eins im Tor, Maximilian Samstag, fehlte mehrere Partien aus privaten Gründen und erschien später nicht mehr regelmäßig im Training. Gleiches gilt für Justin Engelhardt. Der ehemalige Kapitän Ali Can Yilmaz verließ die SG Viernheim während der Spielzeit und wechselte zum Ligakontrahenten SC United Weinheim. Andreas Heiser beendete seine aktive Zeit bei den „Orangenen“ parallel zum Weggang von Thomas Jöhl. Badou Sonko, der monatelang fehlte, wird nach einem Heimaturlaub zur Rückrunde wieder im Kader erwartet.
Spielertrainer als großer Hoffnungsträger
Vor diesem Hintergrund wirkt das Engagement von Spielertrainer Steven Schreck besonders gewichtsvoll. Schreck, der als Hoffnungsträger angesehen wird, bringt zwar individuelle Offensivstärke mit-im aktuellen Spielbetrieb wurden ihm vier Tore für Kreislist SC Käfertal zugerechnet-doch kann eine einzelne Person das strukturelle Defizit nicht allein ausgleichen. Die sportliche Bilanz zwingt zu nüchterner Analyse: Der Rückstand bis zum rettenden Ufer beträgt zehn Punkte, der Abstand zum Relegationsplatz beläuft sich auf vier Zähler. Gleichzeitig ist zu beachten, dass der Vorletzte, SC Blumenau, zwei Spiele weniger absolviert hat; dieser Umstand birgt die Gefahr, dass sich die Tabellenkonstellation noch verschärft, sobald jene Nachholpartien absolviert sind. Vor dem ersten Pflichtspiel des Jahres 2026, das am Sonntag, 8. März, um 12.30 Uhr im Waldstadion gegen TSV Amicitia Viernheim 2 angesetzt ist, bleibt dem Verein daher nur wenig Zeit, um die drängendsten Probleme zu lösen.
Aus sportlicher Perspektive besteht dringender Handlungsbedarf auf mehreren Ebenen. Erstens muss die personelle Basis stabilisiert werden: Ein Kader von rund 17 Spielern wird vom Verein als realistisches Ziel formuliert, um Trainingsintensität, taktische Variabilität und Verletzungsmanagement sicherzustellen. Dazu gehört nicht nur das Verpflichten von externen Kräften, sondern auch die Rückgewinnung interner Verlässlichkeit-also regelmäßige Trainingsbeteiligung und Bereitschaft zu hoher Leistungsbereitschaft über die gesamte Rückrunde hinweg. Zweitens ist eine Charakterfrage zu lösen: Die Vereinsführung betont, dass künftig „echte Neuzugänge“ benötigt werden, also Spieler, die sowohl fußballerisch als auch in puncto Einstellung und Loyalität zu 100 Prozent auf den Verein einzahlen und eine komplette Rückrunde ohne Murren durchspielen. Konkret sind mindestens fünf solchen Neuzugängen als notwendiger Mindestmaßnahme vonnöten, um die sportlichen Chancen auf Klassenerhalt realistisch zu wahren.
Wichtig: klare sportliche Linie
Drittens verlangt die jetzige Situation organisatorische Klarheit: Wechsel auf Trainerpositionen, häufige Personalentscheidungen und der Verlust zentraler Spieler haben das Vertrauen in etablierte Strukturen unterminiert. Die Wiederherstellung von Stabilität erfordert eine klare sportliche Linie und konsequentes Management, das sowohl Kaderplanung als auch die interne Kommunikationskultur adressiert. Eine nachhaltige Lösung umfasst zudem präventive Maßnahmen, um ähnliche Verläufe künftig zu verhindern: transparente Vorgaben zur Trainingspräsenz, verbindliche Leistungsvereinbarungen und ein belastbares Teamgefüge sind dafür notwendig. Die Beobachtung, dass in der Sommerpause ein personeller Neuanfang gewagt wurde und problematische Fälle entfernt wurden, ist aus sportlicher Sicht nachvollziehbar. Allerdings hat dieser Schnitt kurzfristig die Qualität vermindert, was nicht überraschend ist. Gleichwohl bleibt die Erkenntnis, dass allein sportliche Konsequenz gegenüber Problemfällen ohne gleichzeitig durchdachte Nachverpflichtungs- und Motivationsstrategien nicht ausreicht. Die SG Viernheim steht somit vor der doppelten Aufgabe, sich personell sowohl in der Spitze als auch in der Breite zu verstärken.
Führungsspieler müssen Verantwortung übernehmen
Die Rolle der verbleibenden Leistungsträger ist in diesem Kontext besonders wichtig. Führungsspieler müssen Verantwortung übernehmen. Nur ein geschlossen auftretender Kader wird in der Lage sein, die nötigen Punkte in einer kompakten Rückrunde zu sammeln. Aus sportlicher Sicht ist der Derbyauftakt gegen TSV Amicitia Viernheim 2 von herausragender Bedeutung: Der Termin markiert den Beginn einer Phase, in der kontinuierliche Punktegewinne unabdingbar sind. Ein positives Ergebnis im Waldstadion würde nicht nur Zähler bringen, sondern auch dringend benötigte mentale Impulse setzen. Gleichzeitig liegt die Aufgabe nicht allein in einem Einzelspiel; vielmehr bedarf es einer stringenten, mittel- bis langfristigen Strategie, um den Klub dauerhaft aus dem Tabellenkeller herauszuführen.
Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die SG Viernheim systemische Probleme zu lösen hat. Die Ausgangslage ist schwierig: nur zwei Pflichtspielsiege, vier verschiedene Trainer, ein auf zwölf Spieler zusammengeschmolzener Kader und der drohende Abstieg sind harte Fakten. Gleichzeitig bestehen konkrete Ansatzpunkte für Gegenmaßnahmen: gezielte Neuzugänge mit hoher Bereitschaft zur Loyalität, organisatorische Stabilisierung, eine klare sportliche Linie und die Aktivierung verbliebener Führungsspieler. Sollte es gelingen, diese Punkte zügig und konsequent anzugehen, bestehen zumindest theoretische Chancen, die Klasse zu halten. Ohne eine solche Frischzellenkur droht jedoch die Gefahr, dass das Jahr 2026 zu einem weiteren negativen Kapitel in der jüngeren Vereinsgeschichte wird.
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